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Samstag, 24. September 2016

Mit keinem Fuß im Kriminal: Medizinische Tätigkeiten


Elisabeth Tuma, B.Ed.
Vorsitzende des DA 17, Personalvertretung 17.IB


Wie bereits in der letzten Folge dieser Serie beschrieben, muss unterschieden werden zwischen a) Tätigkeiten, wie einfache Hilfestellungen bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten und  b) Tätgkeiten, die medizinisches Fachwissen voraussetzen bzw. medizinische Tätigkeiten.
Dies kennzeichnet einfache Hilfestellungen (siehe Teil 2 in: BIS 73, Seite 12f):
einfache Handreichungen, die auch von einem Laien erwartet werden können, z.B. das Abzählen von Tabletten,
es darf kein medizinisches  Fachwissen erforderlich sein,
der Einsatz und das Dosieren des Medikaments erfolgt nicht nach freiem Ermessen der verabreichenden Person
à Im Schadensfall greift hier die Amtshaftung  (siehe Teil 1 in: BIS 72, Seite 10)
 Dies kennzeichnet medizinische Tätigkeiten:
unterliegen dem Ärztegesetz,
medizinisches  Fachwissen ist erforderlich,
der Einsatz und das Dosieren des Medikaments erfolgt  nach Ermessen der verabreichenden Person,
Tätigkeiten, wie Verabreichen von Insulininjektionen bei Diabetes, das Abgeben von Medikamenten bei Asthmaanfällen oder bei einem epileptischen Anfall,...
à Im Schadensfall greift hier die Amtshaftung  voraussichtlich nicht (siehe unten)

Übertragung nach §50a Ärztegesetz
Tätigkeiten, die medizinisches Fachwissen voraussetzen, überschreiten das einem Laien zumutbare Maß an Verantwortung. Als Laie im Sinne von §50a, Ärztegesetz gilt jede/r, die/der nicht Angehörige/r eines Gesundheitsberufes ist.
 Gemäß § 50a Ärztegesetz kann jedoch die Ärztin/der Arzt im Einzelfall bestimmte ärztliche Tätigkeiten  an Personen (Laien) übertragen, die zu einer Patientin/einem Patienten in einem örtlichen und persönlichen Naheverhältnis stehen.  Dies würde bedeuten, dass Lehrkräfte oder auch sonstige Betreuungspersonen in Schulen im Einzelfall ärztliche Tätigkeiten nach Anleitung und Überweisung durch die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt und nach Vergewisserung, dass diese über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, auf freiwilliger Basis für eine konkrete Schülerin oder einen konkreten Schüler übernehmen können. Bevor es aber zur Übertragung und Unterweisung kommt, muss die Ärztin/der Arzt auch abschätzen, ob der/dem Betreffenden die Tätigkeit zugemutet werden kann. Beruflicher Stress und Hektik im Schulalltag werden oftmals gegen solche Übertragungen sprechen. Die Ärztin/Der Arzt ist darüber hinaus verpflichtet, die Lehrkraft auf ihr Recht, die Übernahme der Tätigkeit abzulehnen, gesondert aufmerksam zu machen und darf das Wissen um dieses Recht nicht voraussetzen.
Die Übertragung kann jederzeit durch beide Seiten beendet werden.
Unbedingt zu beachten ist, dass das Übertragen von ärztlichen Tätigkeiten nur durch die Ärztin/den Arzt selbst, und nicht durch die Eltern -auch, wenn sie über die erforderlichen Kenntnisse verfügen- erfolgen kann (dies würde gegen das Ärztegesetz verstoßen bzw. im Schadensfalle das Delikt der Körperverletzung nach sich ziehen).
 
Das Bildungsministerium nimmt in einer schriftlichen parlamentarischen Anfragebeantwortung (5937/AB vom 09.09.2015) folgendermaßen zu §50a-Tätigkeiten Stellung: „Lehrpersonen sollen routinemäßig grundsätzlich keine Tätigkeiten im Rahmen von § 50a Ärztegesetz übernehmen. Von medizinischen Laien nicht mehr erwartbare Tätigkeiten, für die eine spezielle ärztliche Unterweisung erforderlich ist, sind den Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe vorbehalten. Solche Aufgaben gehören nicht zu den lehramtlichen Pflichten im Sinne der einschlägigen schul- und dienstrechtlichen Vorschriften. Ein Dienstgeber darf prinzipiell davon ausgehen, dass jemand, der freiwillig eine Tätigkeit übernimmt, sich auch über die möglichen, damit verbunden Risiken im Klaren ist.“
Achtung: Amtshaftung greift bei §50a-übertragenen Tätigkeiten voraussichtlich nicht!
Eine 2014 erfolgte parlamentarische Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für Bildung (1685/AB vom 14.8.2014) bestätigt: „Haftungsrechtlich klärungsbedürftig erscheinen hingegen Tätigkeiten, die medizinische Kenntnis erfordern und somit eine ärztliche Übertragung nach § 50a Ärztegesetz voraussetzen. Nach§ 50a Ärztegesetz kann die Übernahme dieser Tätigkeit abgelehnt werden. Freiwillig übernommene Tätigkeiten sind nach Judikatur und Lehre grundsätzlich kein Vollziehen von Gesetzen. Damit würde eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Amtshaftungsrechtes (§ 1 AHG) wegfallen. Als Folge davon könnte die Lehrkraft von der Schülerin bzw. von dem Schüler unmittelbar in Anspruch genommen werden.“
In „Der Standard“ vom 16.8.2016 erklärt eine Sprecherin des Ministeriums:"Für Beamte gibt es Amtshaftung für alle Tätigkeiten, die Laien zumutbar sind. - Wenn Beamte Tätigkeiten freiwillig übernehmen, dann greift die Amtshaftung nicht mehr." Das heißt etwa, Tablettengabe oder eine Erinnerung an die Tabletteneinnahme, gelten als für einen Laien zumutbar: "Wenn da etwas passiert, greift die Amtshaftung." Weiter: Für Laien nicht zumutbare Tätigkeiten, die nach § 50a des Ärztegesetzes eine ärztliche Einschulung voraussetzen – und nur freiwillig von Lehrern übernommen werden, ihnen aber nie verpflichtend auferlegt werden können -, fallen hingegen nicht unter den Schutz der Amtshaftung. Dazu gehören Insulininjektionen für Kinder mit Diabetes oder rektal zu verabreichende Medikamente. Zwar habe es noch keinen derartigen Haftungsfall gegeben, aber man wolle "pro futuro", für etwaige künftige Fälle, eine Lösung herbeiführen.
Fazit
Nach derzeitiger Rechtsansicht des Ministeriums unterliegen Lehrerinnen und Lehrer, die freiwillig Tätigkeiten nach §50a des Ärztegesetzes übernehmen, nicht dem Schutz der Amtshaftung. Sie befinden sich sprichwörtlich mit einem Fuß im Kriminal und könnten im Schadensfalle zivilrechtlich belangt werden – eine unhaltbare Situation für Kolleginnen und Kollegen, die zum Wohle der ihnen anvertrauten Kinder freiwillig medizinische Aufgaben übernehmen!
Sollte die schon lange von uns geforderte und vom Ministerium in Aussicht gestellte, baldige Lösung zur Rechtssicherheit umgesetzt werden, werden wir Sie davon sofort in Kenntnis setzen.
 Verpflichtend: Erste Hilfe-Leistung
Unberührt bleiben Erste-Hilfe-Maßnahmen: LehrerInnen sind – so wie alle StaatsbürgerInnen –  zur Leistung der Ersten Hilfe bei Unfällen und unvorhersehbaren plötzlichen Erkrankungen von SchülerInnen verpflichtet, als diese Hilfeleistung nicht wegen der dazu erforderlichen ärztlichen Fachkenntnisse oder wegen der Gefahr, in die sich die/der Helfer/in ansonsten begeben würde, objektiv unzumutbar ist.
(Mit dem Thema „Erste Hilfe“ und Abgrenzungen zu medizinischen Tätigkeiten wird sich die nächste Folge dieser Serie beschäftigen.)



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