Elisabeth Tuma, B.Ed.
Vorsitzende des DA 17, Personalvertretung 17.IB
Wie bereits in der letzten Folge dieser
Serie beschrieben, muss unterschieden werden zwischen a) Tätigkeiten, wie einfache Hilfestellungen bei der
regelmäßigen Einnahme von Medikamenten und
b) Tätgkeiten, die medizinisches Fachwissen voraussetzen bzw. medizinische
Tätigkeiten.
Dies kennzeichnet
einfache Hilfestellungen (siehe Teil 2 in: BIS 73, Seite 12f):
einfache Handreichungen, die auch von einem Laien
erwartet werden können, z.B. das Abzählen von Tabletten,
es darf kein medizinisches Fachwissen erforderlich sein,
der Einsatz und das Dosieren des Medikaments erfolgt
nicht nach freiem Ermessen der verabreichenden Person
à Im Schadensfall greift hier die
Amtshaftung (siehe Teil 1 in: BIS 72,
Seite 10)
Dies kennzeichnet
medizinische Tätigkeiten:
unterliegen dem Ärztegesetz,
medizinisches
Fachwissen ist erforderlich,
der Einsatz und das Dosieren des Medikaments erfolgt nach Ermessen der verabreichenden Person,
Tätigkeiten, wie Verabreichen von Insulininjektionen bei
Diabetes, das Abgeben von Medikamenten bei Asthmaanfällen oder bei einem
epileptischen Anfall,...
à Im Schadensfall greift
hier die Amtshaftung voraussichtlich
nicht (siehe unten)
Übertragung
nach §50a Ärztegesetz
Tätigkeiten,
die medizinisches Fachwissen voraussetzen, überschreiten das einem Laien
zumutbare Maß an Verantwortung. Als Laie im Sinne von §50a, Ärztegesetz gilt
jede/r, die/der nicht Angehörige/r eines Gesundheitsberufes ist.
Gemäß § 50a Ärztegesetz kann jedoch die Ärztin/der Arzt im Einzelfall
bestimmte ärztliche Tätigkeiten an
Personen (Laien) übertragen, die zu einer Patientin/einem Patienten in einem
örtlichen und persönlichen Naheverhältnis stehen. Dies würde bedeuten, dass Lehrkräfte oder
auch sonstige Betreuungspersonen in Schulen im Einzelfall ärztliche Tätigkeiten
nach Anleitung und Überweisung durch die behandelnde Ärztin/den behandelnden
Arzt und nach Vergewisserung, dass diese über die erforderlichen Fähigkeiten
verfügen, auf freiwilliger Basis für eine konkrete Schülerin oder einen
konkreten Schüler übernehmen können. Bevor
es aber zur Übertragung und Unterweisung kommt, muss die Ärztin/der Arzt auch
abschätzen, ob der/dem Betreffenden die Tätigkeit zugemutet werden kann.
Beruflicher Stress und Hektik im Schulalltag werden oftmals gegen solche
Übertragungen sprechen. Die Ärztin/Der Arzt ist darüber hinaus verpflichtet,
die Lehrkraft auf ihr Recht, die Übernahme der Tätigkeit abzulehnen, gesondert aufmerksam zu machen und darf das Wissen um
dieses Recht nicht voraussetzen.
Die Übertragung kann jederzeit durch beide
Seiten beendet werden.
Unbedingt zu
beachten ist, dass das Übertragen von ärztlichen Tätigkeiten nur durch die
Ärztin/den Arzt selbst, und nicht durch die Eltern -auch, wenn sie über die
erforderlichen Kenntnisse verfügen- erfolgen kann (dies würde gegen das
Ärztegesetz verstoßen bzw. im Schadensfalle das Delikt der Körperverletzung
nach sich ziehen).
Das
Bildungsministerium nimmt in einer schriftlichen parlamentarischen
Anfragebeantwortung (5937/AB vom 09.09.2015) folgendermaßen zu
§50a-Tätigkeiten Stellung: „Lehrpersonen sollen routinemäßig
grundsätzlich keine Tätigkeiten im Rahmen von § 50a Ärztegesetz übernehmen. Von
medizinischen Laien nicht mehr erwartbare Tätigkeiten, für die eine spezielle
ärztliche Unterweisung erforderlich ist, sind den Angehörigen der Gesundheits-
und Krankenpflegeberufe vorbehalten. Solche Aufgaben gehören nicht zu den
lehramtlichen Pflichten im Sinne der einschlägigen schul- und dienstrechtlichen
Vorschriften. Ein Dienstgeber darf prinzipiell davon ausgehen, dass jemand, der
freiwillig eine Tätigkeit übernimmt, sich auch über die möglichen, damit
verbunden Risiken im Klaren ist.“
Achtung:
Amtshaftung greift bei §50a-übertragenen Tätigkeiten voraussichtlich nicht!
Eine 2014
erfolgte parlamentarische Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für
Bildung (1685/AB vom 14.8.2014) bestätigt: „Haftungsrechtlich klärungsbedürftig
erscheinen hingegen Tätigkeiten, die medizinische Kenntnis erfordern und somit
eine ärztliche Übertragung nach § 50a Ärztegesetz voraussetzen. Nach§ 50a
Ärztegesetz kann die Übernahme dieser Tätigkeit abgelehnt werden. Freiwillig
übernommene Tätigkeiten sind nach Judikatur und Lehre grundsätzlich kein
Vollziehen von Gesetzen. Damit würde eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit
des Amtshaftungsrechtes (§ 1 AHG) wegfallen. Als Folge davon könnte die
Lehrkraft von der Schülerin bzw. von dem Schüler unmittelbar in Anspruch
genommen werden.“
In „Der
Standard“ vom 16.8.2016 erklärt eine Sprecherin des Ministeriums:"Für Beamte gibt es Amtshaftung für alle
Tätigkeiten, die Laien zumutbar sind. - Wenn Beamte Tätigkeiten freiwillig
übernehmen, dann greift die Amtshaftung nicht mehr." Das heißt etwa,
Tablettengabe oder eine Erinnerung an die Tabletteneinnahme, gelten als für einen
Laien zumutbar: "Wenn da etwas passiert, greift die Amtshaftung." Weiter: Für Laien nicht zumutbare Tätigkeiten, die nach § 50a des
Ärztegesetzes eine ärztliche Einschulung voraussetzen – und nur freiwillig von
Lehrern übernommen werden, ihnen aber nie verpflichtend auferlegt werden können
-, fallen hingegen nicht unter den Schutz der Amtshaftung. Dazu gehören
Insulininjektionen für Kinder mit Diabetes oder rektal zu verabreichende
Medikamente. Zwar habe es noch keinen derartigen Haftungsfall gegeben, aber man
wolle "pro futuro", für etwaige künftige Fälle, eine Lösung
herbeiführen.
Fazit
Nach
derzeitiger Rechtsansicht des Ministeriums unterliegen Lehrerinnen und Lehrer,
die freiwillig Tätigkeiten nach §50a des Ärztegesetzes übernehmen, nicht dem
Schutz der Amtshaftung. Sie befinden sich sprichwörtlich mit einem Fuß im
Kriminal und könnten im Schadensfalle zivilrechtlich belangt werden – eine
unhaltbare Situation für Kolleginnen und Kollegen, die zum Wohle der ihnen
anvertrauten Kinder freiwillig medizinische Aufgaben übernehmen!
Sollte die schon
lange von uns geforderte und vom Ministerium in Aussicht gestellte, baldige
Lösung zur Rechtssicherheit umgesetzt werden, werden wir Sie davon sofort in
Kenntnis setzen.
Verpflichtend:
Erste Hilfe-Leistung
Unberührt
bleiben Erste-Hilfe-Maßnahmen: LehrerInnen sind – so wie alle StaatsbürgerInnen
– zur Leistung der Ersten Hilfe bei
Unfällen und unvorhersehbaren plötzlichen Erkrankungen von SchülerInnen
verpflichtet, als diese Hilfeleistung nicht wegen der dazu erforderlichen
ärztlichen Fachkenntnisse oder wegen der Gefahr, in die sich die/der Helfer/in
ansonsten begeben würde, objektiv unzumutbar ist.
(Mit dem Thema
„Erste Hilfe“ und Abgrenzungen zu medizinischen Tätigkeiten wird sich die
nächste Folge dieser Serie beschäftigen.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen