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Donnerstag, 26. Mai 2016

Mit keinem Fuß im Kriminal: Fragen und Antworten zum Thema Erkrankungen von SchülerInnen / Umgang mit Medikamenten an Schulen


von Elisabeth Tuma, B.Ed.
Dienstrechtsreferentin

Eltern kommt im Rahmen deren Obsorgepflichten auch die Aufgabe zu, sich um die Gesundheit ihrer Kinder zu kümmern (§160 Abs.1 ABGB). Dies schließt auch die Verpflichtung ein, mit der Schule in allen Belangen ihres Kindes, auch deren gesundheitliches Wohl betreffend, zu kooperieren.

Erlass ERI:210 des Stadtschulrates für Wien weist auf diesen Aspekt hin:

„Es soll insbesondere auf den Elternabenden die Möglichkeit wahrgenommen werden, Eltern und deren Vertreter darauf hinzuweisen, Ihr Kind ausschließlich in einem für den Schulbetrieb ausreichend gesunden und dem Schüler/ der Schülerin zumutbaren Zustand in die Schule zu schicken, schicken, da es leider auch immer wieder vorkommt, dass Schüler/innen bereits am Morgen offensichtlich krank zum Unterricht erscheinen und die Erziehungsberechtigten darauf aufmerksam zu machen, dass es wesentlich ist, dass sie oder ihre Vertreter im Anlassfall verlässlich erreichbar sein müssen.“

Sobald sich SchülerInnen im Bereich der Schule oder bei einer Schulveranstaltung befinden, gehen die Obsorgepflichten im Rahmen der Aufsichtspflicht auf die Schule über. Die Maßnahmen, die LehrerInnen setzen sollen, orientieren sich daran, wie durchschnittlich verantwortungsbewusste LehrerInnnen in vergleichbaren Situationen handeln würden und sie müssen zumutbar sein – dies würde etwa Sonderwünsche überängstlicher und übervorsichtiger Eltern auf „optimale Betreuung“ ausschließen.
Plötzliche Erkrankung während des Unterrichts

Die zu setzenden Maßnahmen hängen von der Schwere der Erkrankung und dem Alter und der geistigen Reife der SchülerInnen ab.

 Erlass 210: „Demnach wird in einer solchen Situation naturgemäß mit entsprechender Sorgfalt abzuschätzen sein, ob nach den konkreten Umständen von einer (möglicherweise) schwerwiegenderen Erkrankung oder Verletzung auszugehen ist oder ob es sich um eine offenbar leichte Erkrankung (oder Verletzung) handelt.

Danach werden sich die weiteren Maßnahmen zu richten haben (Zuziehung eines Arztes etc. unter gleichzeitiger Verständigung der Erziehungsberechtigten in schwerwiegenderen Situationen bzw. adäquate Verfügungen bei leichten Erkrankungen oder Verletzungen).

 Auch bei leichteren Erkrankungen (bzw. Verletzungen) wird jedoch § 2 Abs. 1 der Schulordnung zu beachten sein, wonach erst ab der 7. Schulstufe bzw. ab der 9. Schulstufe unter den dort angeführten Voraussetzungen allenfalls eine Beaufsichtigung von Schülern entfallen kann, allenfalls verbunden mit der Genehmigung einer vorzeitigen Entlassung aus dem Unterricht.“

 Es muss darauf hingewiesen werden, dass eine vorzeitige, unbegleitete Entlassung von erkrankten SchülerInnen jedweden Alters immer ein Risiko darstellt und davon abzuraten ist. Auch ist eine bloß telefonisch erbrachte Zustimmung der Erziehungsberechtigten im Zweifelsfall nicht nachweisbar.  Empfehlung: Falls SchülerInnen (bei leichten Erkrankungen) vorzeitig und auf Wunsch der Eltern entlassen werden sollen, sollte eine schriftliche Genehmigung der Eltern (z.B. E-Mail) vorliegen. Der Regelfall wird jedoch sein, dass SchülerInnen den Eltern übergeben werden.

 Erkrankungen während einer mehrtägigen Schulveranstaltung

 Für die Behandlung in akuten Erkrankungsfällen sind Ärzte zu konsultieren bzw.  die Rettung bzw. die Notärztin/der Notarzt zu verständigen. Die Eltern und die Schulleitung sind zu informieren. Es empfiehlt sich, schon vor Antritt der Schulveranstaltung abzuklären, dass im gewählten Ort ein Arzt/eine Ärztin zur Verfügung steht, der die SchülerInnen mit ihrer E-Card behandelt. Die E-Cards der SchülerInnen sollten vor der Schulveranstaltung einsammelt bzw. für den Notfall die Nummern der E-Cards notiert werden.

 Nur eine Ärztin/ein Arzt darf Diagnosen stellen und Medikamente verordnen. Deshalb dürfen ohne Beiziehung einer Ärztin/eines Arztes keinesfalls Medikamente an SchülerInnen verabreicht werden - im Schadensfall könnte die Lehrkraft strafrechtlich wegen Körperverletzung (§ 83 StGB) zur Verantwortung gezogen werden. Auch homöopathische und nicht verschreibungspflichtige Präparate sind in der Regel Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz, deren Anwendung ohne ärztliche Verordnung  in dieser Situation rechtlich nicht zulässig ist (Gefahren: allergische Reaktion, Symptomverfälschung,...).

 Wie ist es zu betrachten, wenn sich die verständigten Eltern gegen eine ärztliche Behandlung wehren oder sie eine bestimmte, z.B. eine alternativmedizinische Behandlung fordern?

 Hier gilt, dass die Verantwortung der begleitenden LehrerInnen durch die Kontaktnahme der nicht vor Ort befindlichen Eltern nicht auf diese zurück übertragen wird. Die letzte Verantwortung für das erkrankte Kind liegt also bei den LehrerInnen vor Ort, die abschätzen müssen, welche Maßnahmen für das gesundheitliche Wohl des Kindes am geeignetsten sind. Ansinnen von Eltern können nur so weit berücksichtigt werden, als sie zu verantworten und zumutbar sind.

 Empfehlung: Im Zweifelsfall (Fieber ist nicht immer ein Indikator) lieber einmal zu oft ärztliche Hilfe  holen. Vorsicht bei Elternwünschen (Auch: „Wir holen das Kind ab, bitte verständigen Sie noch keinen Arzt.“) – LehrerInnen vor Ort tragen die Verantwortung!

 Dauermedikamente: Einfache Hilfestellungen bei der regelmäßigen Einnahme

 Benötigt ein/e SchülerIn Unterstützung bei der Einnahme von Medikamenten, so gilt, dass  die erforderliche Unterstützung nicht über Handreichungen hinausgeht, die auch von einem Laien erwartet werden können, z.B. das Abzählen von Tabletten. Es darf kein medizinisches  Fachwissen erforderlich sein und  der Einsatz und das Dosieren des Medikaments nicht nach freiem Ermessen der verabreichenden Person erfolgen. (Solche Tätigkeiten würden unter den Vorbehalt des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz fallen.)

Ebenfalls nicht in diesen Themenbereich gehören medizinische Tätigkeiten, die dem Ärztegesetz unterliegen, wie das Verabreichen von Insulininjektionen bei Diabetes, das Abgeben von Medikamenten bei Asthmaanfällen oder das Vorgehen bei einem epileptischen Anfall.
Für die Abgabe von Dauermedikamenten gilt, dass ein/e  LehrerIn diese gleichsam als „verlängerter Arm“ der Sorgepflichtigen verabreichen darf. Eine Verpflichtung des/der Lehrer/in zur Abgabe von Dauermedikamenten besteht nicht.

 Wenn sich eine Lehrerin/ein Lehrer freiwillig bereit erklärt, Medikamente zu verabreichen, bedarf es a) eines schriftlichen Ersuchens der Eltern um Verabreichung des  Medikaments (Nennung des konkreten Medikaments und Nennung  des Namens der Lehrerin/des Lehrers), b) einer ärztlichen Verschreibung mit genauer Dosierungsangabe, c) der Information und Absprache mit der Schulärztin/dem Schularzt, d) der Information und Absprache mit  der Schulleitung sowie eine schriftliche Bestätigung derselben, dass die Tätigkeit im Rahmen der Dienstleistung erbracht wird und somit im Schadensfalle  die Amtshaftung (siehe Teil 1 in: BIS 72, Seite 10) wirksam wird.

 Bevor sich LehrerInnen bereit erklären, empfiehlt es sich darüber hinaus folgende Fragen zu klären:

Wer übernimmt die Tätigkeit im Falle der Abwesenheit des/der  genannten LehrerIn?

Wer ist für den ausreichenden Nachschub an Medikamenten  und für die Kontrolle des Ablaufdatums verantwortlich?

Ist die Maßnahme von LehrerInnen überhaupt in Betracht zu ziehen, wenn sich der Schüler / die Schülerin gegen die Medikamentengabe wehrt?

Elisabeth Tuma, B.Ed.
Dienstrechtsreferentin

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